Fördert Kunst im Unternehmen die Unternehmenskultur?
Mai 2024
Das Unternehmen Endress + Hauser präsentiert am Standort Nesselwang im Allgäu jährlich wechselnde Ausstellungen mit Künstlerinnen und Künstlern der Region. Für 2024-25 wurde Irmi Obermeyer ausgewählt, deren Werke seit dem 7. Mai mit dem Titel "KUNST IM FOYER" für alle sichtbar über drei Etagen im Hauptgebäude hängen und sozusagen den betrieblichen Alltag "verändern".
Die Künstlerin hatte mich um eine Laudatio gebeten, aus der ich hier einen kleinen Auszug zitiere:
"Kunst kommt von können – wie alle anderen Berufe auch.
Wir sagen „Das ist doch keine Kunst“, wenn wir meinen, dass etwas recht einfach zu bewerkstelligen sei. Im Umkehrschluss müssten wir daher immer „Das ist aber Kunst“ sagen, wenn wir etwas beschreiben, was anspruchsvoll und kompliziert ist.
Ich nehme mal an, dass hier im erfolgreichen Unternehmen Endress + Hauser vieles „echte KUNST“ ist, dass Sie hier viele Kompetenzen beherrschen und diese mit hoher Professionalität betreiben.
Nun kommt zur unternehmerischen Kunst – nicht zum ersten Mal – echte Kunst. Diese Doppelung kann eigentlich nur funktionieren und sich gegenseitig befruchten und ist ein wunderbares Beispiel der von mir regelmäßig propagierten Unternehmenskultur!
Dass man Kunst lernen kann und muss, hierfür liefert Irmi Obermeyer den Beweis. Denn ihr wurde die Kunst nicht in die Wiege gelegt, auch wählte sie die Kunst nicht als ihren ersten Ausbildungsberuf (wer traut sich das schon?).
Irgendwann aber wurde ihr klar, dass die Kunst in ihr Leben gehört und dass sie das Berufsbild Künstlerin anstreben wolle. Hierfür hat sie hart gearbeitet, gelernt und gelehrt, viel Geld in Kurse und Material investiert und tut das immer noch.
Die Künstlerin und ich kennen uns seit etwa sechs Jahren, und ich bin regelmäßig beeindruckt, was sie Neues entwickelt. So wagte sich die Malerin, die den Pinsel absolut souverän beherrscht und sogar mit einem eigens entwickelten „Pinselkonstrukt“ arbeitet, plötzlich an Airbrush-Malerei und genoss diese neue Wildheit der Form.
Bei meinem letzten Atelierbesuch habe ich mir folgende Sätze der Künstlerin notiert:
- Es gibt nur ein VORAN.
- Ich weiß immer, wohin ich will.
- Die Kunst ist das Ventil, mit der ich die Dinge in die eigene Energie umwandeln kann.
- Der Gegenstand interessiert mich nicht, aber der Raum.
- Meine Malerei ist gemalte Stenographie, ich zeige Kürzel von Gesehenem.
- Die Vorlage meiner Kunst sind immer der Mensch oder die Natur.
- Schönheit ist flankiert von Fehlerhaftem, Bruchstellen und Problemzonen, die ganze Welt hat Problemzonen.
Soweit ein paar Wortschnipsel einer Frau, die heute mit ihren Bildern im Mittelpunkt des Abends steht.
Irmi hat von Lust, Energie, Raum, Mensch, Natur, Schönheit und Problemzonen gesprochen.
Wollte man diese Begriffe mit einem Titel fassen, so lautete dieser: DAS LEBEN.
Ja, es ist das Leben, was wir hier gemalt sehen, es ist das Leben aus der Sicht einer zeitgenössischen Allgäuer Künstlerin, das Leben in seiner Farbigkeit, das Leben in seiner Größe und das Leben im Detail." (...)
Als Ralph Uphaus die Vernissage-Gäste für die Geschäftsführung begrüßte und sich auf "Daten und Fakten" freute, musste ich ihn enttäuschen, denn meine Rede enthielt alles außer Daten und Fakten .... Aber im Anschluss an die Laudatio erklärte mir mein Vorredner, wie gut es getan habe, die "Unternehmensblase"verlassen zu dürfen und die Kunst Kunst sein zu lassen.
Genau das ist einer der Gründe, warum Kunst im Unternehmen zu einer neuen Unternehmenskultur führen kann, wenn nämlich neue Perspektiven, neue Sichtachsen, neue Farbfelder und neue Freiräume entstehen.
Wir leben in einer Zeit neuer Narrative. Die Abschaffung binärer Strukturen ist vor allem für die junge Generation eine Herzensangelegenheit.
Kunst kann hierzu einen großen Beitrag leisten, denn Kunst ist non-binär, Kunst fördert Toleranz und Kommunikation.
Kunst kommt unbedingt von können, aber dieses Können ist immer ein Hybrid zwischen Handwerk und Intellekt, zwischen Innovation und Imagination, zwischen Experiment und Chance.