Dümmel Zeichenkunst Stuttgart

LIMINAL SPACE - Richard Schur 29.09. bis 08.12.2023

 

Richard Schur 29.09. bis 08.12.2023
LIMINAL SPACE - Soloshow

 

Auszug aus der Eröffnungsrede vom 29. September

Richard Schur – LIMINAL SPACE – Eröffnungsrede Andrea Dreher am 29.09.2023

Lieber Gäste, lieber Richard,

liminal space – ich gebe zu, dass ich erstmal googeln musste. Wer den Galerie-Newsletter gelesen hat oder selbst gegoogelt hat, weiß inzwischen Bescheid, für alle anderen leiste ich jetzt Aufklärungsarbeit:

Am 1. August schrieb mir Richard in einer Mail mit dem Betreff „brainstorming Titel“ folgendes: Aus sprachlichen und formalistischen Gründen kam ich auf "Liminal Spaces". Z.B. wegen der Überschneidungsflächen zwischen zwei Bildelementen.

Gleichzeitig schickte er mir einen Link zu einem Artikel aus Giersch (Magazin für Stadtraum und Kultur, Januar 2022), mit dem Titel:

Was sind Liminal Spaces? Von der Magie der Schwellenräume

Was sind das für Orte, an denen sich die Welt irgendwie seltsam anfühlt? Verlassene Bahnsteige, Schulkorridore nach Unterrichtsschluss – irgendwo zwischen Soziologie, Kulturtheorie und Internet-Meme hat sich für solche Orte der Begriff „liminal spaces“ eingebürgert. […]

Der Begriff „liminal space“ bzw. „liminaler Raum“ mag neu sein, die besondere Atmosphäre, die an so einem Ort herrscht, dürften aber viele kennen. Liminal Spaces sind Räume, in denen sich die Realität anders anfühlt. Orte, die sonst voller Menschen sind und die man plötzlich still und verlassen erlebt. Orte, an denen Architektur eine seltsame, traumartige Atmosphäre kreiert, wo Lichtverhältnisse herrschen, die einen an einen surrealen Film denken lassen.

Soweit zur Suche nach einem Titel für diese Ausstellung, die ausnahmslos neue Werke zeigt, Werke, die in den kommenden Monaten, Wochen und sogar Tagen entstanden sind, und zwar für diese kleine Solo-Show hier in Ravensburg. Hierfür und in das Vertrauen in mich und den Standort Ravensburg möchte ich dem Künstler an dieser Stelle von Herzen danken.

Diese kleine Eröffnungsrede wird in ein Künstlergespräch überführen, weswegen ich mir einige Fragen von nachher aufbewahre.

Da Richard Schur seit seiner Zeit an der Akademie der Bildenden Künste in München ein Verfechter der konkret-abstrakten Kunst ist und sich immer auch gegen Mainstream und Modeströmungen gewehrt hat und bis heute wehrt, kann man ihn mit Fug und Recht inzwischen als einen etablierten Vertreter dieser Kunstrichtung bezeichnen.

Im Glossar der Fachbegriffe in „Bis Heute: Stilgeschichte der bildenden Kunst im 20. Jahrhundert“ von Karin Thomas lesen wir zu Abstraktion folgendes:

Der Begriff „abstrakt“ entwickelte sich aus der Antiposition zur gegenständlichen Figuration und bezeichnet zugleich zwei unterschiedliche Formen von ungegenständlicher Kunst:

  1. Die konstruktive Abstraktion, die geometrische Ordnungsstrukturen realisiert,
  2. Die lyrische Abstraktion, die als informelle Kunst Ausdruck der intuitiven Kreativität ist.

Ein Fremdwort kommt zum nächsten, daher liebe ich es, nach den Quellen zu forschen, denn im Grunde ist alle Kunst abstrakt, denn nur die Wirklichkeit ist real.

Wenn wir in der europäischen Kunstgeschichte zurückblicken und uns auf die Suche nach dem Anfang der Moderne begeben, so begegnen wir z.B. Texten von Georg Simmel, dem Begründer der Soziologie, der z.B. in dem neu aufkeimenden Anspruch auf Individualität die größte Herausforderung für die Gesellschaft, zumal in den Großstädten, sah.

In der Bildenden Kunst gab es im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts drei bedeutende Strömungen: Kubismus, Expressionismus, Futurismus.

Der uns vielleicht am besten vertraute Expressionismus stellte den Ausdruck und die Unmittelbarkeit in den Mittelpunkt der Kunst; der Futurismus glorifizierte den technischen Fortschritt, die Mobilität, kurzum die neue Dynamik in der industriellen Gesellschaft; der Kubismus hingegen verstand sich insofern als Avantgarde, dass nicht mehr das Thema des Kunstwerks die tragende Rolle spielte, sondern dessen technische Umsetzung. Material, Oberfläche, Proportion waren hier einige der Schlüsselbegriffe.

Dass ein Kunstwerk nie objektiv, sondern immer subjektiv betrachtet wird, denn jedes Kunstwerk entsteht immer erst im Dialog mit uns Betrachter:innen, wissen wir alle. Auch, dass es keine objektive Schönheit gibt.

Piet Mondrian hat 1937 in seinem Text „Bildende Kunst und reine bildende Kunst“ eine Neuformulierung verfasst, die bis heute sehr lesenswert und an dessen Ende er resümmierend schreibt:

Die Kunst wird nicht nur fortbestehen, sondern wie wird immer mehr sich selbst verwirklichen. Durch die Vereinigung von Architektur, Bildhauerei und Malerei wird eine neue Gestaltungswirklichkeit geschaffen. Malerei und Bildhauerei werden sich dann weder als separate Objekte manifestieren noch als „Wandkunst“, die die Architektur zerstört, noch auch als „angewandte“ Kunst, sondern sie werden als rein konstruktive Kunst mithelfen, eine Atmosphäre zu schaffen, die nicht bloß von rationalem Nützlichkeitsdenken beherrscht wird, sondern in ihrer Schönheit auch rein und vollkommen ist.

Mit diesem Zitat möchte ich gerne ins Gespräch mit Richard überleiten….

Einen Überblick über die verfügbaren Arbeiten gibt's auf der Homepage unter Richard Schur