Detlef Waschkau, Holzrelief und Malerei
Pete Kilkenny, Malerei

Alle mal Hand aufs Herz. Müssten Sie sich entscheiden zwischen einem „dauerhaften“ Leben in der Großstadt und einem Leben auf dem Dorf, was wäre Ihre Wahl?
Hier grasen die Kühe, dort rauscht der Verkehr. Aber stimmt dieses Klischee denn noch? Ist auf dem Land alles schön und in der Stadt alles wüst?
Nein, denn zunehmend kommt das Land in die Stadt, Begriffe wir „urban gardening“ sind ganz zentral und in vieler Munde. Großstädter suchen grüne Oasen, und zwar nicht mehr nur, um in den Parks zu liegen, sondern auch, um selbst zu pflanzen und zu ernten.
Auch die Stadt kommt auf das Land, allerdings ganz anders. Der amazon-Bote bringt ins letzte Kuh-Kaff Waren der Großstadt, an den Grenzen der Dörfer entstehen Einkaufsparadiese, zumindest heißen diese Konglomerate im Jargon der Marketingstrategen so und übers digitale Netz können wir auf unserem Computern auch in Großstädten leben, ganz legal und digital!
Nun stehen wir hier in Ravensburg und passen in keines der beiden Muster. In Ravensburg wäre weder die Kunst des einen noch des anderen entstanden.
Die Stadtmotive von Detlef Waschkau (Berlin) sind groß und größer, es zieht ihn in echte Mega-Cities, wo der Berliner Künstler in das große Nichts eintaucht und sich in den Sog und Rausch der Großstadt begibt. „Ich liebe es, fremd zu sein“, sagte er in einem Interview.
Anders Pete Kilkenny. Der in Großbritannien aufgewachsene Sohn irischer Eltern studierte an der Universität von Newcastle „Fine Art in Painting and Printmaking“ an und begab sich im Anschluss zwei Jahre auf Weltreise, um schließlich als Fremder in einem bayerischen Dorf zu landen und dort (bis heute) Wurzeln zu schlagen.
Der eine malt Städte, der andere Kühe. Aber nein, so einfach ist das nicht. Gott sei Dank.
Denn Detlef Waschkau ist ein an der Hochschule der Künste Berlin ausgebildeter Bildhauer, und seine Arbeiten haben uns im vergangenen Jahr auf Anhieb so begeistert, dass wir den Kontakt zu ihm suchten und ihn für diese Ausstellung einluden.
Waschkaus Markenzeichen sind seine Holzreliefs. Er arbeitet hierfür mit Schichtholzplatten, die er vorsichtig mit Hammer und Stechbeitel um einzelne Ebenen reduziert und parallel dazu seine Malerei im Holz und auf dem Holz entwickelt. Die Entstehung dieser Kunst ist wirklich sehr komplex, aber auf den ersten Blick sehen wir zunächst faszinierende Motive, Stadträume, Menschen in der Stadt usw..
Wer urbane Szenen liebt, dürfte sich an dieser Kunst kaum satt sehen können. Aber Waschkaus Bilder liefern eben noch mehr als beeindruckende Motive, denn die Technik seiner Werke ist von handwerklicher und künstlerischer Seite absolut großartig. Die Beweglichkeit der einzelnen Bildebenen gibt dieser Kunst eine eigene Dimension und uns Betrachters unzählige Bildräume zu entdecken.
Auch Pete Kilkenny malt nicht einfach nur Kühe, weil er Kühe liebt und auf dem bayerischen Land lebt. Nein, er malt den tierischen Ernst in Form von Kühen auf Titelseiten von nationalen und internationalen Zeitungen. Jede Kuh ist genauso ein Unikat wie das Titelblatt der Zeitung. Was wir heute lesen, stimmt morgen vielleicht noch oder auch nicht mehr, wir vertrauen dem Titelblatt und es prägt sich für einen Moment in unser politisch motiviertes Gedächtnis ein. Die Entscheidung fürs Titelblatt ist immer auch eine Entscheidung um die Quote, das wissen alle Redaktionen.
Was passiert nun, wenn ein Künstler und Freigeist wie Pete Kilkenny die Zeitungsinhalte teils verschwinden lässt …, wollen wir das? Seine Sammler rufen lauthals JA und fühlen sich magisch angezogen von den Blättern an der Wand, die sofort zahlreiche Assoziationen in uns auslösen.
Die Ausstellung GROSS STATT IDYLL geht auf keine Kuh-Haut, sondern sie verleiht uns vielmehr Flügel. Denn in beiden Ausstellungsräumen können wir spontan unseren Alltag hinter uns lassen und uns – ohne Flugticket und Stau – an Orte begeben, die uns inspirieren und die uns einen Moment (oder zwei) unseren Alltag vergessen lassen.