Mit der fünften Kunst- und Künstlergeschichte bleiben wir noch in Berlin, denn dort leben und arbeiten einige unserer Künstler*innen, so auch Kathrin Landa.

Berlin war und ist für viele Kreative ein Hotspot, denn das Image, Berlin sei arm, aber sexy, zog weite Kreise. Die deutsche Hauptstadt stand und steht u.a. für Nachtleben, Anarchie, Freiheit, alternative Lebensmodelle usw. Leider ist Berlin inzwischen auch eine Stadt der Gentrifizierung, d.h. bezahlbarer Wohnraum wird knapp und bezahlbare Ateliermieten stehen vielfach auf der Kippe.

Die Malerin Kathrin Landa ist – wie viele - eine Wahlberlinerin. Ursprünglich stammt sie aus Ravensburg, hat ihrer Heimatstadt zwar nach dem Abitur den Rücken gekehrt, kommt aber dennoch regelmäßig auf „Heimatbesuch“, nicht selten auch in Verbindung mit einem künstlerischen Auftrag. So hatte z.B. der Oberbürgermeister a. D. Hermann Vogler Kathrin Landa mit seinem Porträt für die Ahnenreihe der Stadtherren im Kleinen Sitzungssaal des Ravensburger Rathauses beauftragt. Bei der feierlichen Einweihung des Gemäldes erzählten damals beide von ihren Erfahrungen der einzelnen Modellsitzungen im Atelier der Künstlerin und alle, die dabei waren, spürten, wie intensiv Malerin und Modell aufeinander fixiert und miteinander vertraut waren.

Kathrin Landa eilt längst der Ruf einer großartigen Porträtmalerin voraus. Sie malt Prominente genauso wie Fremde, Freunde oder ihre eigene Tochter. Sie reiht sich selbstbewusst und engagiert in die Jahrhunderte alte Tradition der Porträtmalerei ein und entsprechend besteht sie auch auf der klassischen Modellsitzung, um den Menschen, der ihr stundenlang gegenübersitzt, nicht nur zu malen, sondern zu spüren und zu interpretieren!

Viele von uns posten das eigene Gesicht oder Gesichter von Freunden in den sozialen Medien. Erst recht in Zeiten der Corona bedingten Kontaktsperre schlüpfen wir dabei in die Rolle amateurhafter Models und üben die perfekte Pose. Täglich blicken wir außerdem in die bildbearbeiteten Gesichter der Medienwelt und wir lassen Chirurgen professionell Hand anlegen an unsere Gesichter und unsere Körper, denn Schönheit ist käuflich.

„Das Gesicht ist der gesellschaftliche Teil von uns, der Körper ist die Natur“, zitiert der Kunsthistoriker Hans Belting in der Einleitung zu seinem Buch „Faces - Eine Geschichte des Gesichts“ (München 2013, S. 8) ein Interview über das Casting.

Inmitten dieser Welt der geschönten Realitäten etabliert die in Berlin lebende Porträtmalerin Kathrin Landa mit großem Erfolg eine Kunst der Gesichter und der Körper, die sich jeglichem Sexismus und Voyeurismus widersetzt und welche sich ganz der Individualität und der Persönlichkeit der Dargestellten widmet.

Die Intimität zwischen Malerin und Modell ist in jedem Bild spürbar, denn Landa will mehr als nur abbilden. So begegnet sie ihren Modellen und Auftraggebern mit großer Offenheit und Leidenschaft, was im Ergebnis des Bildes dazu führt, dass niemals ein Status Quo festgehalten wird. Vielmehr nimmt Kathrin Landa in ihren Porträts das Gesicht ihrer Modelle zum Anlass, um daraus eine oft ungeahnte Energie abzuleiten und diese malerisch frei zu setzen. So bestrich sie beispielsweise in der Vergangenheit einzelne Modelle mit Honig und Lippenstift im Gesicht, um aus dem klassischen Kontext der Porträtmalerei radikal auszubrechen.

Kathrin Landas Kunst ist ein klarer Affront gegen das bürgerlich konventionelle Porträt und gleichzeitig ein Appell an die Freiheit der Selbstbestimmung jedes einzelnen Menschen in unserer multiplen Gesellschaft. Denn jedes Porträt dieser Berliner Malerin entsteht auf dem Fundament der unantastbaren Würde des Menschen. Entsprechend entkräftet die Malerin in ihren Bildern zahlreiche Urteile und Vorurteile, die viele von uns latent in sich tragen, und bricht malerisch Bahn für eine konsequente und selbstbewusste Weiterentwicklung der Kunstgeschichte des Gesichts und des Körpers im 21. Jahrhundert.

Kathrin Landas Bildnisse gehen unter die Haut, sie zeigen uns mehr als wir sehen und sie künden von einer sehr intensiven Auseinandersetzung der Künstlerin mit ihrem Modell. Die Gesichter sind außergewöhnlich, wir bleiben unweigerlich an ihnen haften und reagieren empathisch auf die Bilder der Dargestellten. Oft erfolgt der erste Blickkontakt über die Augen, deren Ausführung meisterhaft ist. In ihrer Malerei fordert Landa den Schönheits-Kanon des beginnenden 21. Jahrhunderts heraus, der oft genug in banalen „likes“ und „castings“ endet.

In der frühen Neuzeit (15. Jahrhundert) begann die europäische Porträtgeschichte plötzlich zu boomen. Wurden die Porträts im Mittelalter noch als Dokumente verstanden und die Schildermacher damit beauftragt, das vorgegebene Darstellungsrecht einzuhalten, rückte nun das Thema des Selbst in den Fokus. „Und damit wurde die Darstellbarkeit des unsichtbaren Selbst zum Kernproblem. Das Porträt konnte sich nicht darauf beschränken wie man aussah, sondern warf die Frage auf, wie man sich darstellen oder darstellen lassen wollte“. (Belting, a.a.O., S. 161)

Was Belting in seinem Buch „Faces“ rückblickend für die Renaissance festhält, gilt im Grunde bis heute. Denn die Porträtmalerei ist mit dem hohen Anspruch konfrontiert, das Unsichtbare sichtbar zu machen, alles andere ist Masken- oder Ikonenkunst.

Die Malerin Kathrin Landa stellt sich diesem Anspruch mit großem Erfolg.

Ihr Diplom- und Meisterschülerstudium hat sie an der angesehenen Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig absolviert und dort natürlich auch die starken Jahre der Figuration der viel gerühmten „Leipziger Schule“ begleitet und im künstlerischen Alltag miterlebt.

Kathrin Landa war im Übrigen auch die Initiatorin des MalerinnenNetzWerks Berlin-Leipzig, das seit seiner Gründung im Frühjahr 2015 und nach zahlreichen Publikationen und Ausstellungen in Off-Spaces, Galerien und Museen zu den spannendsten Plattformen für zeitgenössische Malerei von Frauen zählt.

Landa ist eine absolute Macherin, die das Atelier nicht als intellektuellen Rückzugsort versteht, sondern vielmehr als Aktionsraum für sämtliche Themen, die ihr (und vielen anderen) auf den Nägeln brennen. Hierzu gehört das politische Engagement gegen Rechtradikale genauso wie der Kampf für die Gleichstellung von Mann und Frau.

So nimmt es nicht wunder, dass Kathrin Landa auch auf die aktuelle Corona-Krise malerisch reagiert hat, allerdings nicht mit einem Gesicht, sondern mit einem sehr sensiblen Aquarell zweier Unterarme. Wir leben in einer Zeit, in der wir alle irgendwie anpacken müssen und in der wir uns gleichzeitig keine Hand reichen dürfen. Die Symbolkraft des tätowierten Unterarm „live, love, laugh“ und der behandschuhten Hand ist ein daher klares Statement aus dem Atelier der Berliner Malerin Kathrin Landa: anpacken, nicht loslassen!

© Andrea Dreher, April 2020