Ob ich denn noch weitere Corona-Porträts verfassen wolle, fragte mich die Stuttgarter Malerin Isa Dahl im Januar 2021.

Was für mich als „Lockdown-Galerie-Projekt“ im April 2020 begonnen hatte, geht offensichtlich auch in diesem zweiten Galerie-Lockdown in die Fortsetzung, in dem wir uns seit Mitte Dezember 2020 befinden. Mittlerweile wissen wir alle, dass die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie für uns alle eine Zäsur bedeuten. Irgendwann werden wir (hoffentlich) Corona im Rückblick betrachten, an unsere Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie werden wir uns jedoch lange erinnern, und Corona-Geschichten werden „Zeitgeschichten“ werden.

Nun aber weg vom Virus und hin zu einer großartigen Künstlerin. Ich habe Isa Dahl erstmals im Rahmen ihrer Einzelausstellung „Nachträume“ in der Städtischen Galerie Ravensburg im Jahr 1999 persönlich kennengelernt und erinnere mich noch gut an ihre dunkeltonigen Hochformate und vor allem an die Ausführungen der Malerin, die von ihren abendlichen Spaziergänge in Stuttgart erzählte, wo sie die Lichtspiele durch Glasbausteine in Wohnblöcken und die Vorhang verhangenen Fenster in der Schwabenmetropole fotografierte und diese Alltagsszenen dann in Malerei übersetzte. Seither denke ich immer an Isa Dahl und vor allem an ihre Bilder, wenn ich abends durch Wohnsiedlungen spazieren gehe …. und das tue ich seit Corona mit großer Regelmäßigkeit.

Im Herbst 2017 stellt Isa Dahl mit ihrem Mann, dem Bildhauer Daniel Wagenblast, in unserer Galerie 21.06 unter dem Ausstellungstitel „Kopf und Hand und Rosenrot“ aus. Das Künstlerpaar hatte sich den Titel ausgedacht, denn ohne Kopf gehe gar nichts, weil es zunächst der Gedanke sei, der ein Kunstwerk beginnen lasse, so Isa Dahl.

Isa Dahl kommt zwar aus einer naturwissenschaftlich geprägten Familie, sie besuchte ein naturwissenschaftliches Gymnasium in Ravensburg und ist auch heute eine Frau der Fakten: strukturiert, organisiert und weit entfernt von einer „esoterisch, sinnlichen“ Geisteshaltung, aber sie kommt auch aus dem barocken Oberschwaben und bekennt sich durchaus zur Prägung durch die lichtdurchflutete und illusionistische Kirchenmalerei. Längst ist der kraftvoll geschwungene Pinselduktus ihr Markenzeichen. Wer in den vergangenen Jahrzehnten beispielweise die Art Karlsruhe besuchte, erkannte schon aus der Ferne die Bilder von Isa Dahl, denn ihre Malerei ist so raumgreifend und raumbeherrschend, dass mir dabei der Begriff „skulpturale Malerei“ in den Sinn kommt.

Wenn wir in den Himmel schauen, sehen wir Wolken, so Isa Dahl. Aber in Wirklichkeit sind Wolken keine formalen Bilder, sondern nur physikalische Struktur. Die konzentrierte Wahrnehmung ist der Grundstock für das Verständnis der Malerei Isa Dahls. Sie will Bilder malen, die das Innehalten im Bild als Ziel haben. Dies gelinge, wenn Schönheit, Strenge und Licht ideal ineinander greifen, so die Malerin. Sie sei im Übrigen keine Freundin der Ergebnis-Sicherung, denn so drohe Langeweile, und Langeweile ist der Feind jeder guten Kunst.

Ein gutes Bild entstehe, wenn der malerische Nass-in-Nass-Prozess von A-Z durchgehalten werde und wenn etwas entstehe, was noch nie zuvor da war, so die Malerin im Gespräch. Immer wieder gebe es in ihrem beruflichen Alltag Phasen des Suchens, manche Lösungen lassen Monate auf sich warten, doch das müsse man aushalten. Wichtig ist, so Isa Dahl, dass das Vertrauen in das mögliche Gelingen niemals verloren gehe. Ein Satz, der uns sicher alle berührt, denn Handeln impliziert immer auch das Risiko zu scheitern.

Mit dem Innehalten und der Lösungssuche sind wir – im Zuge der Pandemie – alle konfrontiert. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir von einer Künstlerin wie Isa Dahl lernen können. Daher freue ich mich sehr, dass sie für diese Corona-Story ein eigenes Statement verfasst hat, dass ich nun als Zitat anfügen möchte.

„Isa Dahl, Stuttgart 04.02.2021

Tatsächlich erscheinen die Beschränkungen des vergangenen Sommers

heute schon wie große Freiheiten. Als Malerin bin ich das Alleinsein gewöhnt. Mein erstes eigenes Atelier, eine Art verglaste Doppelgarage ohne Heizung, mietete ich in Düsseldorf im Frühjahr 1991, wohnte dazu noch allein.

Eigene Ausstellungen gab es wenig. Zeit, in der die Gedanken eine eigene Lautstärke erhielten. Die Zwiesprache mit den Bildern, die Zeit mit sich, in der Reflexion auf das Tun und die Welt, das ist mein Lebensalltag und, wenn man einmal daran gewöhnt ist, schwer verzichtbar.

Insofern ist das Malen unverändert. Es macht den größten Teil meiner Arbeit aus, die Entwicklung der Malerei, der Prozess im Atelier. Tagtäglich kann man zu einem neuen Ziel aufbrechen.  Anstatt die vorgewusste Schnellstraße, eine andere Straße nehmen, um die plötzliche Fremdheit des Raums zu erfahren. Auch wenn zwischen dem normalen Weg und der bekannten Straße auch nur wenige Meter liegen, liegt in diesem Abweichen und Überschreiten vom Gewussten eben Freiheit.

Und doch hat sich etwas verändert.

Was fehlt, ist das, was im italienischen „inaugurazione“ steckt, und was mehr bedeutet als das deutsche Wort Eröffnung. Es beinhaltet, dass der Moment, in dem Bilder, in dem die Kunst

in die Öffentlichkeit kommen, auch eine Art der Einweihung ist, der  Moment, in dem die Begegnung mit dem Neuen auf eine Art tatsächlich auch gefeiert wird.

Unserer Eventkultur ist nun die Stille gefolgt. 

Man mag sich die Frage stellen, wie viele dieser Events überhaupt etwas mit Kultur zu tun gehabt haben.  Wie auch immer, es ist die Zeit da, Fragen zu stellen und Bestandsaufnahmen  zu machen.

So habe ich begonnen, einige der in der Staatlichen Majolika Manufaktur Karlsruhe entstandenen Arbeiten zu fotografieren.

Seit 2005 arbeite ich dort immer wieder, die Arbeiten verbleiben meistens in der Majolika, werden dort ausgestellt und verkauft, einzelne liegen nun bei mir im Atelier. Auch hier stellt sich die Frage, was für einen Stellenwert Kunsthandwerk für uns einnimmt. Wie lässt sich schneller Konsum und ungebremste Verfügbarkeit von Dingen aus einer globalisierten Welt mit so schwerfälligen und aufwändigen Tun vereinbaren. Jede Platte, jeder Teller ein Unikat, aus Ton gegossen, gebrannt, glasiert, bemalt, wieder gebrannt, alles Handwerk, viele Schritte, unmöglich, Korrekturen anzubringen, dabei zerbrechliches Material.

Vor allem stellt sich die Frage, ob und wie verändert wir aus dieser Zeit herausgehen. Was dann Priorität hat. Kultur und Optimismus ist vielleicht nicht Schlechteste. Auch alte Filme anzuschauen, könnte dazugehören.

„Eine Welt, die William Shakespeare, die Venus von Milo und Briefmarken mit Pfefferminzgeschmack hervorgebracht hat, kann nicht ganz schlecht sein.“

Billy Wilder, Eins, Zwei, Drei, 1961.“

Isa Dahl hat die erwähnten Majoloka-Arbeiten nach Ravensburg gebracht. Im Rahmen dieser kurzen persönlichen Begegnung hat sie auch noch einige Exemplare ihres Katalogs signiert (konkretsichtbar, Kunstverein Rosenheim, Herbst 2020

http://www.isadahl.de/images/kataloge/konkretsichtbar01.pdf

So haben wir also für alle Freundinnen und Freunde dieser Künstlerin ergänzend zu ihren Bildern und den „Corona-Kleinformaten“  aus der Serie „borst, hugs and flowers“ auch wunderschöne Keramikarbeiten und signierte Kataloge von Isa Dahl in unserer Galerie.

Die Kunsthistorikerin Dr. Sabine Heilig hat mit dem Grafikdesigner Stefan Beutler das Label KUNSTSICHTBARMACHEN gegründet und besuchte im Oktober 2020 auch Isa Dahl in ihrem Stuttgarter Atelier. Das Video ist zu sehen unter https://www.kunst-sichtbar-machen.de/

Andrea Dreher, Februar 2021